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Die Rettung des verborgenen Schatzes

Gymnasium Carolinum übergibt bedrohten historischen Buchbestand an das Landesarchiv

Von Bernhard Breuing

Damit hatten die Mitarbeiter des Niedersächsischen Landesarchivs Osnabrück nicht gerechnet: Weit über 30 große Transportkisten und viele helfende Hände waren am Ende nötig, um die wertvollen spätmittelalterlichen Handschriften und Inkunabeln (frühe Buchdrucke) des Gymnasium Carolinum an ihren neuen Aufbewahrungsort in der Schloßstraße zu verbringen!

Während Archivdirektor Dr. Brakmann und Herr Breuing vom Carolinum beim ersten Vorbereitungstermin zur Übergabe der Bücher des Carolinums an das Landesarchiv im vergangenen November noch von einem Gesamtbestand von etwa 200 Bänden ausgegangen waren, die gut sichtbar in Leder eingeschlagen in einer Dachkammer des Carolinums im Regal standen, kam beim Verpackungstermin am vergangenen Dienstag unerwartet noch einmal die gleiche Menge an Büchern zum Vorschein! In Plastikfolie eingewickelt, um die Feuchtigkeit abzuhalten, und in Umzugskartons aus Pappe verpackt, hatten sie seit Jahrzehnten unbeachtet unter einer Dachschräge gelegen – bis sie nun gerade noch rechtzeitig unter der Anleitung des Schulbibliothekars Herrn Steenken von den Schülern seines Leistungskurses Geschichte abtransportiert und so vor ihrem langsamen Tod durch Verschimmeln gerettet werden konnten.

„Dass die Lagerung im feuchten Schularchiv des Carolinums für diese wertvollen Bände völlig ungeeignet war, wurde mir gleich bei meinem Amtsantritt klar“, erklärt Oberstudiendirektor Ulrich Solbach, der Herrn Breuing im vergangenen Jahr mit der Sicherung der Bestände beauftragt hatte. „Die mussten an einen sichereren Ort!“

Dass dieser angesichts ihrer hohen kulturgeschichtlichen Bedeutung nur in einem baulich, organisatorisch und vor allem fachlich speziell ausgestatteten Gebäude liegen konnte, war sofort klar. Und so war es für den Leiter des Landesarchivs, Dr. Brakmann, keine Frage, dass sein Haus „genau der richtige Ort für diesen wertvollen Bestand“ sei.

Denn klar ist: Die Verbringung der Bücher ins Landesarchiv soll nicht deren endgültiges Verschwinden bedeuten, sondern Anlass für eine umfangreiche wissenschaftliche Aufarbeitung bieten. Darin waren sich alle Beteiligten einig.

Zu klären ist noch einiges: Neben der Erschließung der interessanten Inhalte der Bücher gehört beispielsweise noch zu den offenen Fragen, wann die Bestände, die wohl überwiegend aus aufgelösten Klöstern stammen, überhaupt in den Besitz der Schule gelangt sind, auf welchen Wegen, und wie sie früher im Carolinum Verwendung fanden. „Wenn man das beispielsweise im Rahmen einer Doktorarbeit klären könnte, wäre das doch eine tolle Sache“, regte Dr. Fritz Brickwedde für die Stadt Osnabrück an – und stieß damit beim Landesarchivdirektor auf offene Ohren.

Eine hervorragende Ausgangsbasis zur weiteren Erforschung des Bestandes liegt auch bereits vor – und zwar in dem „Handschriftenverzeichnis des Carolinums“, einem fünfbändigen Kompendium, das Brickweddes ehemaliger Geschichtslehrer Benno Suerbaum (95) in 20jähriger akribischer Feinarbeit neben dem täglichen Unterricht erstellt hat. Ihn würdigte Brickwedde nicht nur als einen hochkompetenten Fachmann, sondern auch als „einen stets freundlichen“ Pädagogen – was früher keineswegs selbstverständlich gewesen sei.

Dass die von Suerbaum für das Carolinum erschlossenen Bücher der Schule auch nach der Überlassung an das Landesarchiv zur Nutzung erhalten bleiben, sicherte Archivarin Frau Dr. Guerreau noch kurz vor Unterzeichnung des Überlassungsvertrags allen beteiligten Kollegen gerne zu – eine Garantie, die das Carolinum als letzter Eigentümer der Bücher nahezu zur Bedingung der Übergabe erhoben hatte.

Die Bücher werden nun im Niedersächsischen Landesarchiv an der Schloßstraße in einem eigens für die Bestände des Carolinums eingerichteten Bereich zugänglich gemacht und können dort zu den normalen Öffnungszeiten in Augenschein genommen werden. Auch Besichtigungen unter fachlicher Anleitung z.B. für Schulklassen sind möglich und erwünscht. Soviel ist sicher: ein Besuch wird sich lohnen!

Fotos: Elke Müller